Das Thema der diesjährigen Fachtagung (baobab goes digital: Prävention mit neuen Medien) hört sich zunächst etwas technisch an, doch wie immer geht es bei der Arbeit von baobab um den Menschen, daher ist das Digitale nur die Ergänzung zum direkten Kontakt mit den Menschen. Dieses wurde auch immer wieder in den verschiedenen Beiträgen deutlich.
Unter der Moderation von Régine Aniambossou, Vorstand baobab – zusammensein e.V., und Gil Berning, ehemalige Projektmanagerin von baobab-WIN, die zufällig in Hannover war, begann der Tag zunächst mit einer Begrüßung von Prof. Dr. Louis Tokopanga Wemalowa, Vorstand baobab – zusammensein e.V.
Im Anschluss daran gab es ein Grußwort von Angelika Tumuschat-Bruhn, AWO Bezirksverband Hannover e. V. Sie zeigte auf, wie besonders und auch wie wichtig die Arbeit von baobab ist, die in ihrem Ansatz sehr einmalig ist in der niedersächsischen (und deutschen) Präventions-Szene. Die wenigsten Einrichtungen, Organisationen oder Vereine können oder wollen auf Augenhöhe arbeiten, daher kommt es immer wieder zu (kulturell bedingten) Missverständnissen und Enttäuschungen, die zu gegenseitem Akoppeln führen, womit aber niemandem gedient ist. baobab bricht das auf, und das ist auch wieder für die AWO gut, bei der baobab korporatives Mitglied ist.
Nach diesem Grußwort gab es noch ein weiteres von Adalbert Mauerhof, Vorstand LAGFA Niedersachsen e.V., der in seinem Vortrag noch einmal die enorme Wichtigkeit von Engagement, Vernetzungen und Zusammenarbeit betonte. Dabei ist natürlich die LAGFA genau der richtige Ansprechpartner, denn die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Niedersachsen verfolgt seit Jahren genau diesen Ansatz.
Nun war es für Kass Kasadi, Geschäftsführer von baobab, an der Zeit, über die Arbeit zu berichten, die in den letzten zwölf Monaten, seit der letzten Fachkonferenz im Dezember 2016 in Hannover, im Rahmen des Projektes baobab-WIN geleistet wurde. Letztes Jahr wurde das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt, was ist seit dem passiert? Das Hauptziel der Arbeit lässt sich so zusammenfassen: Errichtung einer ganzheitlichen Begleitungsstruktur für Schutzsuchende und Zugewanderte, insbesondere aus Subsahara-Afrika, die ihnen von der Ankunft in Deutschland bis zur Erreichung der Eigenständigkeit unterstützend zur Seite steht. Dazu wurde eine Struktur aus, Beratung, Begleitung, Vernetzung, Fortbildung/Schulung, Förderung der Selbsthilfe und Einsatz auf Augenhöhe aufgebaut bzw. ausgebaut. Kass berichtete anhand zahlreicher Beispiele, wie das aussieht.
Nach diesem Blick auf die Arbeitr von baobab wurde die Perspektive gewendet: Prof. Dr. Adolf Windorfer, Vorsitzender Kuratorium Stiftung EINE CHANCE FÜR KINDER, hielt einen kurzen Vortrag zu „Auf welche Infektionen und auf welche möglichen Symptome muss geachtet werden?“ Wie wichtig sind Prävention, Hygiene und Schutz? Aber auch: wie wichtig ist es, einen klaren Kopf zu behalten, so z.B. bei der Frage zur Ansteckungsgefahr mit HIV. Hysterie ist nicht gut, ein aufgeklärter Umgang mit den Infektionen und Krankheiten ist dem Umgang mit den Patient*innen und zu Beratenden nur förderlich. Wichtig aber auch für die derzeitige Situation in Deutschland ist die Rückkehr von eigentlich „ausgestorben“ gedachten Krankheiten und Infektionen, die aber nur in Westeuropa zurückgedrängt waren, nicht jedoch in Asien oder Afrika, so z.B. Hepathitis B oder Kretze. Was müssen Betreuende beim Umgang mit Risikogruppen beachten, wie können sie sich schützen, wie können Risikogruppen erkennen, ob es ein „normaler Husten“ oder Tuberkulose ist? (Das PDF der Präsentation kann hier heruntergeladen werden)
Anschließend wurde von Kass Kasadi und Germain Nimpagaritse, Projektmanagement bei baobab, zum Kernthema der Fachtagung die neue baobab-App vorgestellt. Diese App für Smartphones oder Tablets soll in den Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch und Arabisch den Zugang zu Informationen rund um das Thema Gesundheitsförderung und Prävention erleichtern. Veröffentlich werden soll die App Ende des Jahres bzw. spätestens Anfang 2018.
Warum eine App? Auch Niedersachsen gehört zu den Flächenstaaten, und die Infrastruktur ist nicht überall so gut ausgebaut wie z.B. in der Landeshauptstadt. Doch auch in den ländlichen Gebieten müssen die Menschen die Möglichkeit haben, schnell und problemlos an Informationen zu gelangen. Eine der Möglichkeiten soll diese App werden. Wie es in der Peripherie aussieht, darüber berichtete nach der Vorstellung der App Dr. Nestor Buanga, Arzt und Allgemeiner Chirurg aus Salzgitter, der über den „Zugang zur medizinischen Versorgung im ländlichen Raum für Flüchtlinge“ berichtete.
Bevor es in die Pause ging, wurde noch ein weiterer, sehr wichtiger Aspekt in der baobab-Arbeit beleuchtet: Frauenempowerment. Edell Otieno, baobab-Regionalkoordinatorin Emsland sprach zu: „Nicht ohne uns – Frauenempowerment als Bestandteil der Gesundheitsförderung“. Sie lenkte z.B. noch einmal den Blick auf die Frage, wie eine funktionierende Gesundheitsförderung funktionieren soll, wenn die Frau nicht einmal in der Lage ist, ihre Beschwerden einem Arzt oder einer Ärztin gegenüber zu artikulierern, da sie weder ausreichend in der Landessprache kommunizieren noch schreiben und lassen kann? Also ist es absolut notwendig, dass alle Frauen dieses können. Und Sprache erlernen kann über Einrichtungen wie Volkshochschulen erfolgen oder aber auch durch niedrigschwellige Angebote wie den selbstorganisierten Kursen des baobab-Projektes NANA.
Nach der Pause gab es nich zwei Vorträge. Zunächst berichtete Karin Cohrs, Geschäftsführerin der AIDS-Hilfe Hildesheim, über ihre Erfahrungen in der Beratung von Afrikaner*innen. Und zunächst war es eine Erfahrung, die vom Scheitern gekennzeichnet war, denn der der Zugang gelang nicht, die unternommenen Schritte führten immer wieder in Sackgassen. Das änderte sich erst, als vor einigen Jahren der Kontakt zu Kass Kasadi aufgebaut wurde, der damals noch bei der Hannöverschen AIDS-Hilfe arbeitete. Mit dem Ansatz der Arbeit auf Augenhöhe und der Transkulturalität konnte ein viel stärkerer Kontakt z.B. zu Menschen in Flüchtlingseinrichtungen aufgebaut werden, sodass Präventionsarbeit wirklich geleistet werden konnte und kann, denn die Zusammenarbeit zwischen der Hildesheimer AIDS-Hilfe und baobab wird fortgeführt.
Den Abschluss machte Serge Tah, baobab-Regionalkoordinator Gifhorn, der in einem kurzen Vortrag darüber berichtete, was innerhalb der letzten zehn Monate geleistet wurde. Im Februar 2017 kam der erste Kontakt zwischen Flüchtlingen in Gifhorn und baobab zustande. Seitdem wurden in Selbstorganisation der Schutzsuchenden vor Ort viele Projekte durchgeführt, z.B. Sprachkurse, Trommelworkshops, ein Fußballturnier, Unterstützung der Stadt Gifhorn bei der Straßenreinigung u.a. Mittlerweile ist die Regionalgruppe nicht nur in Gifhorn selber tätig, sondern hat in einigen Gemeinden des Landskreises Straukturen aufgebaut, um die dortigen Flüchtlinge zu unterstützen und zu motivieren, sich selbst zu organisieren.
Hier können Sie Tagungsfolder herunterladen.